Meine Stimme lässt mich nicht mehr los. Ständig will sie mir befehlen, alles hin zu schmeißen. Die Therapie würde wie alle vorherigen doch nichts bringen. Auch wenn sie vielen anderen Patienten geholfen hat, mir wird sie nicht helfen. Ich bin so schlecht, dass ich den anderen wartenden Patienten auch noch den Platz weg nehme. Die Stimme wird lauter und lauter und lauter.
Verdammt noch mal, lass mich endlich in Ruhe!
In meiner heutigen Therapiestunde kann ich mich deswegen auch nicht konzentrieren. Auf der einen Seite sitzt S. und redet und auf der anderen Seite (oder besser gesagt in mir drin) sitzt mein Dämon und versucht S. mies zu machen und ihre Wörter immer genau gegen mich gerichtet zu deuten. Es ist so verdammt anstrengend, dass ich nach einer Stunde total erschöpft aufstehe und das Gefühl habe, als ob ich seit Stunden die schlimmste und härteste Arbeit der Welt verrichtet hätte.
S. bemerkt sofort, dass ich in mich gekehrt bin und fast nichts mehr an mich ran lasse. Deswegen bekomme ich eine Art „Hausaufgabe“, die mich stärken soll und mir den Sinn der Therapie nahe bringt.
„Warum möchte ich gesund werden?“
• Es tut so weh, ständig das Gefühl zu haben, dass ich nichts wert bin, dass mich keiner liebt, dass ich nicht gut genug bin und dass ich nichts Gutes verdient habe.
• Ich möchte so gerne wieder mein Leben leben (und zwar richtig wieder leben, ohne diese extrem vernichtende Stimme in mir).
• Ich möchte mein Leben wieder genießen, jeden einzelnen Tag.
• Ich möchte auch das, was ich tue, wieder genießen und mich konzentrieren können.
• Morgens beim Aufstehen würde ich mich gerne auch mal gut fühlen und nicht wie tot.
• Immer fühle ich diesen Druck und diese Kontrolle in mir. Ich möchte FREI sein!
• So gerne möchte ich mich auch wieder auf das Essen freuen, oder wenigstens keine Panik mehr davor haben.
• Außerdem möchte ich nicht ständig darüber nachdenken, was ich esse, wo ich etwas einsparen kann oder wo ich Essen wegschmeißen kann.
• Ich möchte mich wieder spüren. Ich möchte fühlen und wissen, wer ich bin.
• Ich möchte raus gehen ins Leben und sehen, was ich wirklich mag, was meine Interessen sind und was ich machen möchte.
Diese Liste habe ich nicht einfach mal schnell runter geschrieben. Oh nein, es hat mich viele Stunden gekostet, überhaupt darüber nachdenken zu dürfen.
Immer wieder sind Tränen über meine Wangen gelaufen, da ich gespürt habe, wie tief ich in der Krankheit stecke und wie furchtbar gerne ich daraus möchte.
Ich möchte doch soooo gerne, dass ich auch wieder „normal“ leben darf. Doch ich habe auch solche Angst, dass ich es nie schaffen werde.