Es ist alles so kompliziert. Warum kann ich nicht einfach eine Pille schlucken und am nächsten Tag komplett gesund und geheilt aufwachen?
Ich sehe und spüre noch keinerlei Veränderung in mir. Dass kann doch alles nichts bringen? Immer war ich extrem ehrgeizig und erfolgreich. Alle Prüfungen habe ich im ersten Anlauf geschafft und am besten noch mit super Noten. Warum merke ich in dieser Therapie noch nichts?
Bin ich etwa wieder nicht gut genug? Mache ich nicht genug mit? Arbeite ich nicht genügend an mir? Oder bin ich einfach ein so hoffnungsloser Fall, dass die Therapie bei mir natürlich nichts bringen wird? S. ist vielleicht einfach zu nett, um mir die Wahrheit zu sagen. Natürlich spürt sie gleich in der nächsten Stunde, mit welchen Gedanken ich mich herum schlage. Sie erklärt mir erneut, dass die Therapie auf eine lange Zeit ausgerichtet ist und man keine schnellen Ergebnisse in kurzer Zeit erzielen kann. Niemand kann spontan und kurz entschlossen, seine gesamten Glaubenssätze, seine Sicht der Dinge und Gedanken ändern. Dies ist harte Arbeit.
Zuerst muss man sich seinen Gedanken bewusst werden. Dann muss man sie analysieren und schauen, ob sie subjektiv oder objektiv sind. Lange Zeit werden sie für mich natürlich als Gesetz in Stein gehauen stehen. Bis S. mir immer mehr verdeutlichen kann, dass meine Gedanken mir schaden, dass sie gegen mich gerichtet sind und dass ich deswegen krank geworden bin.
Je mehr ich dann meine Gedanken anzweifeln werde, desto mehr werde ich auch heraus finden, dass ich diese Gedanken so nicht mehr haben möchte. Dann fängt die lange Zeit des „Umprogrammierens“ an. Immer mehr werde ich (wie ein aufmüpfiges Kind) meiner Anorexie die Stirn bieten und ihr den Kampf ansagen. Ich bin nicht schlecht, nicht wertlos, nicht liebenswert! Das möchte ich nicht mehr glauben!